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Die Kunst der Ornamentik bei den Nordvölkern

Der Germanische Tierstil, eine bedeutende Kunstrichtung des frühen Mittelalters, erstreckt sich von der germanischen Eisenzeit (ca. 500 v. Chr. bis 800 n. Chr.) bis zur Wikingerzeit (ca. 793 bis 1066 n. Chr.) und war vor allem in Skandinavien sowie Teilen West- und Mitteleuropas verbreitet. Diese Stilrichtung ist geprägt durch die Darstellung stilisierter und ineinander verschlungener Körper von Tieren und Menschen, wobei die Leiber häufig in Einzelformen zerlegt wurden, sodass das Grundmotiv oft bis zur Unkenntlichkeit abgewandelt wurde. Häufige Motive umfassen Drachen, Eber, Schlangen, Wölfe, Vögel wie Adler oder Raben, während Pferde und Menschen seltener dargestellt werden. Diese Motive hatten möglicherweise magische, apotropäische (abwehrende) oder heraldische Bedeutungen und könnten Götter, mythische Wesen oder Totemtiere dargestellt haben, was eine tiefe Verbindung zur germanischen Mythologie und Spiritualität andeutet.

Entwicklung und Verbreitung

Der Germanische Tierstil entwickelte sich vermutlich in Skandinavien aus dem Vendelstil, der spätrömische und andere Verzierungsformen aufnahm. Einige Forscher, wie Michael Rostovtzeff, sehen ihn als Fortsetzung des skythischen Tierstils, der jedoch stark schematisiert und geometrisiert wurde (Germanischer Tierstil Ursprung, abgerufen am 16. Sep. 2021). Der Stil breitete sich rasch nach Mitteleuropa aus, insbesondere ins Rheinland, Süddeutschland und England, und zeigte eine große nord- und mitteleuropäische Gleichförmigkeit. Dies könnte darauf hindeuten, dass die germanischen Kulturen sich bewusst von benachbarten Kulturen, wie den Römern oder Slawen, abgrenzen wollten. Die Kunstwerke waren vorwiegend in einem religiösen oder spirituellen Kontext zu sehen und folgten strengen gestalterischen Regeln, wobei gelegentlich stilistische Einflüsse aus anderen Kulturen, wie der angelsächsischen Kunst, aufgenommen wurden.

Stilistische Phasen

Der schwedische Archäologe Bernhard Salin kategorisierte 1904 die Entwicklung des Germanischen Tierstils in verschiedene Phasen, die im Folgenden detailliert beschrieben werden:

Nydamstil

Frühe bis Mitte 5. Jh.

Florale und geometrische Dekorationen (Ranken, Palmetten, Mäander), Tierfiguren an den Rändern, beeinflusst von provinzialrömischer Metallkunst.

Tierstil I

Mitte 5. bis Ende 6. Jh.

Zunächst naturalistische Vierfüßer und Meereswesen, später von Vierfüßern dominiert, Phasen A-D (nicht strikt chronologisch).

Flechtbandornament

Parallel zu Tierstil I, aus dem Osten

Komplexe, ineinander verschlungene Bänder und Linien, bekannt aus Spätantike in römischen und germanischen Gebieten.

Tierstil II

Ca. 570 bis Mitte 8. Jh.

Hochabstrahierte, ineinander verschlungene Tiere, den Bändern untergeordnet, möglicherweise Fusion von nördlichem Tierstil I und südlichem Flechtbandornament.

Stil                                 Zeitraum                                Merkmale

Diese Phasen zeigen eine kontinuierliche Weiterentwicklung, wobei die Qualität variieren konnte und einige Kopien die Motive missverstanden haben könnten.

Wikingerzeitliche Entwicklungen

In der Wikingerzeit (ab ca. 800) entwickelten sich weitere eigenständige Stilrichtungen, die den Germanischen Tierstil fortführten und anpassten. Diese sind wie folgt charakterisiert:

Oseberg-Berdal-Stil

8. bis 9. Jh. (esp. 1.–3. Viertel 9. Jh.)

Erster Wikingerstil, auch erster Greifvieh-Stil, kleine Tiere in dichten Mustern, reduzierte Schleifen, mehrstufige Relieftechniken für Licht-Schatten-Effekte.

Borre-Stil

9. bis 10. Jh. (850/875–925/950)

Zweiter Greifvieh-Stil, dichte, symmetrische Motive (Kreise, Quadrate), Ringketten, Brezeln, oft mit geometrischen Bändern.

Jellinge-Stil

2. Hälfte 10. Jh.

Band- und S-förmige Tiere, benannt nach Jelling, Jütland.

Mammen-Stil

11. Jh. (970/971)

Einzelstehende Motive, benannt nach Mammen, Dänemark (z. B. verzierte Axt).

Ringerike-Stil

10. bis 11. Jh.

Komplexe Muster, vorwiegend in Dänemark verbreitet.

Urnes-Stil

11. bis 12. Jh.

Letzte nordische Phase, extrem stilisiert, Vierfüßer, Bandtiere, Schlangen, geflügelte Drachen, offene Acht-Loops, angelsächsischer Einfluss.

Stil                                 Zeitraum                                Merkmale

Diese Stile zeigen eine kontinuierliche Anpassung an die kulturellen und künstlerischen Veränderungen der Wikingerzeit, mit einer hohen Blüte in den Britischen Inseln, insbesondere in der irischen Klosterbuchmalerei, während sie im südlichen Mitteleuropa durch starke antike Traditionen und byzantinische/griechische Einflüsse begrenzt war (Tierornamentik Wikingerzeit).

Techniken und Artefakte

Die Kunstwerke wurden oft mit Techniken wie Kerbschnitt hergestellt, beeinflusst von römischen Bronzeschnallen, und verwendeten Holzschneide- und Wachsgießtechniken für Metallarbeiten. Typische Artefakte umfassen Fibeln, Armspangen, Schwertknäufe, Beschläge und Zierscheiben, meist aus Bronze, die auf Waffen, Schmuck und Grabbeigaben gefunden wurden.

Symbolik und kulturelle Bedeutung

Die Motive des Germanischen Tierstils hatten oft symbolische Bedeutungen, die über die ästhetische Funktion hinausgingen. Sie könnten magische oder schützende Funktionen gehabt haben, da sie auf Gegenständen verwendet wurden, die einen hohen kulturellen oder spirituellen Wert hatten. Darüber hinaus könnten sie Götter, mythische Wesen oder Totemtiere dargestellt haben, was eine Verbindung zur germanischen Mythologie und Spiritualität andeutet. Der Stil könnte auch eine kulturelle Abgrenzung zu anderen Völkern, wie den Römern oder Slawen, darstellen, da er in weiten Teilen Europas eine einheitliche ästhetische Sprache schuf.

Zusammenfassung

Der Germanische Tierstil ist eine reiche und vielseitige Kunstform, die die Entwicklung der germanischen Kultur von der Eisenzeit bis in die Wikingerzeit widerspiegelt. Seine charakteristischen stilisierten und verschlungenen Tier- und Menschenfiguren sind nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch von tiefgreifender kultureller und möglicherweise spiritueller Bedeutung. Vom Nydamstil über Tierstil I und II bis hin zu den Wikingerzeit-Stilen wie Oseberg, Borre und Urnes zeigt sich eine kontinuierliche Weiterentwicklung, die sowohl regionale als auch zeitliche Besonderheiten widerspiegelt.

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